Gedenken zum 30. Todestag von Pfarrer Franz Bruner
Rede Bernhard Heinl zum 30. Todestag von Pfarrer GR Franz Bruner
Pfarrkirche Rust – Sonntag, 10.November 2019
anl. Hochamt zu Ehren des Kirchenpatrons Hl. Martin
Der heutige Festgottesdienst dient dem Gedenken an den Hl. Martin, dem diese Kirche geweiht ist.
Wir wollen das heutige Patrozinium aber auch dafür nützen, um an jene Persönlichkeit zu denken, die viel dafür getan hat, dass Rust heute als eigene Pfarre existiert und dass heute diese Kirche in dieser Form hier steht.
Vor fast genau 30 Jahren – am 18. November 1989 – starb Pfarrer GR Franz Bruner.
Gestatten Sie mir daher ein Porträt jenes Mannes, der für viele heute noch sehr respektvoll und anerkennend als „Der Herr Pfarrer“ gilt. Ein Porträt im Sinne einer Würdigung, einer Anerkennung und einer dankbaren Verneigung. Ich selbst habe ihn nicht unmittelbar gekannt oder erlebt. Daher stützt sich mein Porträt in erster Linie auf Erzählungen und Eindrücke verschiedener Personen aus Rust, aber auch auf die eine oder andere Schlussfolgerung, die ich aus all dem gezogen habe, was ich über Pfarrer Bruner gehört oder gelesen habe.
Es mutet wie eine Fügung des Schicksals an, dass Pfarrer Bruner 1989 kurz nach dem Martinstag verstorben ist, hatte ihn doch der Heilige Martin von Geburt an gewissermaßen begleitet. Denn sowohl die Kirche seiner Waldviertler Heimatpfarre Großhaselbach – wo er am 19. September 1904 in der kleinen Ortschaft Modlisch geboren wurde – als auch die Kirche hier in Rust, in der er 47 Jahre als Pfarrer gewirkt hat, sind dem Hl. Martin geweiht.
Der Hl. Martin wird in erster Linie mit dem Begriff und der Tugend des „Teilens“ in Verbindung gebracht. In abgewandelter Weise war das auch zutreffend für Pfarrer Bruner und Rust. Auch er hat viel geteilt – etwa die großen und kleinen Sorgen der Menschen hier, aber auch ihre Freuden und Glückseligkeiten. Er hat seine eigenen Talente und Stärken als Seelsorger, als Priester und Mensch mit dem Ort und den Bewohnern hier geteilt. Und: Er hat seinen Gläubigen den christlichen Glauben und das Wort Gottes mit-geteilt.
Als er im Jahr 1942 – also mitten im Krieg – vom Waldviertel nach Rust gekommen ist, hat er wohl nicht geahnt, dass er bis zu seinem Ableben hier in Rust bleiben würde. Er selbst schreibt in der Pfarrchonik: „Wäre die Kirche nicht zerstört worden, hätte der Pfarrer sich sicher schon wieder um eine der jetzt gerade frei gewordenen kleineren Pfarren beworben, da ein Waldviertler bei den lauen Tullnerfeldern schwer heimisch wird.“
Er ist trotzdem heimisch geworden und zu einem fixen und festen Bestandteil des Pfarr- und Dorflebens. Er wurde zu einer immer präsenten Führungsfigur des Ortes.
Das einschneidendste Ereignis war mit Sicherheit die Zerstörung der Kirche durch die Bombentreffer im Jahr 1944. Obwohl – wie vorhin erwähnt – Pfarrer Bruner durchaus Gedanken hegte, Rust wieder zu verlassen, spürte er in dieser schlimmen Situation eine innere Berufung zu bleiben. In der Pfarrchronik schreibt er nämlich: „Da nun aber die Pfarre in Not war, wollte ich sie auch nicht verlassen und damit war die Kirchenbausorge in besonderer Weise auch meine Sorge geworden. Und diese Sorge war groß.“
In der Tat war Bruner die Drehscheibe und treibende Kraft beim Kirchenneubau. Doch bevor es daran ging, die Kirche bauen zu können, musste erst sichergestellt werden, die Kirche bauen zu dürfen. Lange Zeit war nicht sicher, ob Rust wieder eine eigene neue Kirche bekommen würde. Für die Diözese gab es wichtigere Kirchen, die es aufzubauen galt, als jene im kleinen Rust. Daher wurde an eine Vereinigung der Pfarre Rust mit Michelhausen gedacht. An der Seite von Leopold Figl und der damaligen Gemeindeführung kämpfte Pfarrer Bruner um die neue Kirche und die Selbständigkeit der Ruster Pfarre. In der Folge war Bruner der Hauptorganisator des Kirchenbaus – heute würde man ihn als Manager bezeichnen. Er teilte die Dorfbewohner für die Schutträum-Arbeiten ein, wenn nötig wurden sie dazu auch mehr oder weniger freiwillig verpflichtet. Er verhandelte mit der Diözese, er lenkte die unterschiedlichen Meinungen innerhalb des Ortes über die genaue Lage, Ausrichtung und Größe der neuen Kirche zu einem gütlichen Kompromiss. Er organisierte mithilfe Figls dringend benötigtes Baumaterial, er führte penibel Buch über Arbeitsleistungen, Baufortschritt und Finanzangelegenheiten. Und er überwachte höchstpersönlich die Bauarbeiten. Einmal ließ Bruner sogar einen Teil des schon aufgemauerten Kirchturmes abtragen, weil dies nicht dem Plan entsprochen hatte. Über all die Schwierigkeiten beim Kirchenbau schreibt Bruner in der Pfarrchronik: „Hätte ich auch nur die Hälfte des Ärgers, Verdrusses, Undankes, die kommen sollten, gewusst, ich hätte wahrlich nicht den Mut gehabt zum Kirchenbau.“
Neben all diesen weltlichen Sorgen kam Bruner vor allem und aus tiefster Überzeugung seinen seelsorgerischen Aufgaben nach. Trotz fehlender Kirche feierte er Messen im Pfarrhof. Er war den Gläubigen in dieser schwierigen Zeit Wegbegleiter und Mutmacher. Andererseits forderte er in gewisser Weise von den Menschen, ein Leben im Glauben zu führen. Zu einem solchen glaubensvollen Leben gehörte für ihn der fleißige Messbesuch, das regelmäßige Gebet sowie der Empfang der Sakramente. Dazu beschritt er oft auch ungewöhnliche Wege. So kam es vor, als die Kirche noch keine Heizung hatte, dass er Taufen im Winter im gewärmten Pfarrhof spendete und nicht in der kalten Kirche.
Pfarrer Bruner war Priester mit Leib und Seele. Einer vom alten Schlag, wie man heute sagen würde. Er war strikt, konsequent und durchaus auch streng, etwa wenn es um Korrektheit und Andächtigkeit beim Ministrantendienst ging. Und dennoch vermittelte er das Gefühl, dass man von ihm alles an Hilfe und Zuspruch haben konnte. Bruner hatte auch eine weiche Seite, zum Beispiel dann, wenn er dem einen oder anderen Lausbubenstreich, der auch vorgekommen sein soll, mit augenzwinkernder Milde und gütigem Lächeln begegnete. Bruner hat Generationen von Ruster Kindern begleitet und geprägt. Als Pfarrer, als Religionslehrer, im Firmunterricht oder einfach als Respektperson. Er besaß so etwas wie natürliche Autorität, nicht nur kraft seines Amtes und seiner Funktion, sondern auch durch Habitus und Auftreten.
Er sorgte für ein lebendiges und ausgeprägtes Pfarrleben. Man merkte ihm an, dass ihm sein priesterliches Wirken Freude machte. Pfarrer zu sein, war für Bruner eine wahre Berufung, die er sehr ernst nahm – ohne dabei aber gegenüber den Menschen belehrend oder gar missionarisch aufzutreten. Es gab täglich Messen, in früheren Zeiten am Sonntagnachmittag zusätzlich den Segen. Die Hochämter und Kirchenfeste wurden feierlich zelebriert. Die Messbesuche der Gläubigen genau registriert. Er animierte die Kinder zum regelmäßigen Kirchengang. Jeder Kirchenbesuch wurde in einem Pass mit Stempel oder Pickerl dokumentiert. War der Pass voll, gab es als Belohnung Gebets- oder Heiligenbildchen.
Bruner legte Wert auf Ordnung und Disziplin, nicht nur bei den Ministranten rund um den Altar. Wer heute einen Blick in die schon mehrmals angesprochene Pfarrchronik wirft, der sieht sofort, wie gewissenhaft, penibel und akribisch er gearbeitet hat. Oder schauen Sie das nächste Mal am Friedhof auf die Anordnung der Gräber – allesamt mit klarer Ordnung, in einer Reihe, wie mit dem Lineal gezogen. Darauf hat er großen Wert gelegt, als der Friedhof nach dem Krieg neu angelegt wurde.
Bruner war in der Sache energisch nachdrücklich, bestimmt, manchmal auch bestimmend. Er hatte klare Vorstellungen, auf Grundlage seiner christlich-katholischen Weltanschauung und seiner theologischen Ausbildung. Das eine oder andere Mal blitzte auch bei ihm die vielen Waldviertlern zugeschriebene Beharrlichkeit, manche nennen es Eigensinnigkeit, auf. Mit dieser Haltung und Art hat Bruner in Pfarrangelegenheiten Linie und Weg vorgegeben. Er war im besten Sinn eine Leitfigur und nicht wegzudenken aus dem Respekts- und Autoritätsdreieck früherer Zeiten, bestehend aus Lehrer – Bürgermeister – Pfarrer.
Bruner war ohne Zweifel ein konservativer Mensch. Allerdings hieß konservativ bei ihm nicht rückständig, rückschrittlich oder rückwärtsgewandt, sondern traditionsverbunden und wertebewusst. In gewisser Hinsicht war er Neuem durchaus aufgeschlossen. So hatten er und seine Haushälterin, Fräulein Kathi, bereits einen Geschirrspüler – lange bevor Geschirrspüler zur Standardeinrichtung in heimischen Haushalten zählten.
Bruner war bei den Rustern geschätzt und geachtet, angesehen und beliebt. Er war immer da und greifbar. Er prägte das Bild des Ortes. Nicht nur, weil er äußerlich unverwechselbar war. Jeder kannte ihn, und viele haben ihn vermutlich heute noch so vor Augen: in seinem schwarzen Talar und seiner typischen Kopfbedeckung, dem schwarzen Birett – so als wäre er kleidungsmäßig Vorbild gewesen für den berühmten Don-Camillo aus den gleichnamigen Fernsehfilmen.
Kaum einmal hat man Bruner anders gekleidet gesehen als in diesem charakteristischen Pfarrergewand. Ausnahmen machte er etwa, wenn er mit den Damen im Pfarrheim Fasching feierte. Da konnte es schon vorkommen, dass er sich mit einer gelben Perücke verkleidete. In solchen Momenten – aber nicht nur dann – ließ er auch seinen Humor erkennen. Da wurde dann aus dem Lächeln, das ihm seine Gesichtszüge eigentlich immer ins Gesicht zeichneten, auch ein herzhaftes Lachen.
Ebenfalls charakteristisch für ihn war, dass er – vor allem im zunehmenden Alter – mit einem Taschentuch vor dem Mund vom unterwegs war. Und das deshalb, weil er immer wieder Probleme mit den Atemwegen gehabt hatte. Übrigens ein Mitgrund, warum er damals vom rauen Klima des Waldviertels ins Tullnerfeld gekommen ist.
In körperlicher Hinsicht wirkte Pfarrer Bruner für viele auf den ersten Blick schmächtig, hager, mitunter sogar zerbrechlich. Dennoch konnte er – und das war bemerkenswert und beeindruckend – enorm viel an Stärke, an Kraft und an freundlicher Ausstrahlung verbreiten.
So wie Pfarrer Bruner die kirchlichen Feste stets in würdiger Form zelebrierte, so gern feierte er auch Feste mit weltlichem Belang – ob Geburtstage, Jubiläen oder sonstige Anlässe. Ein ganz besonderer Moment für ihn war wohl die 200-Jahr Feier der Pfarre Rust im Jahr 1984, die er mit der ihm eigenen Gewissenhaftigkeit und Leidenschaft federführend organisierte – und das trotz seines fortgeschrittenen Alters, immerhin war er da bereits im 80. Lebensjahr.
Nicht erst zu diesem Anlass war klar: Aus dem Waldviertler war ein stolzer Ruster geworden. Er hat viel für den Ort getan – weit über das Religiöse hinaus. Er war mit dem Dorf Rust, dessen Geschichte und der Identität eng verbunden. So bewunderte und schätzte er Leopold Figl. Diese enge Verbundenheit stellte er unter anderem unter Beweis als offenkundig wurde, dass in Atzenbrugg ein Figl-Museum geplant wurde. Bruner wurde umgehend aktiv und setzte sich nachdrücklich dafür ein, dass ein solches Museum für den großen Sohn von Rust eben nur in dessen Heimatort entstehen durfte. Solcherart war Bruner der geistige Vater und Urheber unseres Figl-Museums und wir verdanken ihm, dass es heute in Rust dieses Museum gibt. Nicht zuletzt deshalb und aufgrund seiner zahlreichen anderen Verdienste wurde Bruner 1967 zum Ehrenbürger der Gemeinde Rust und später 1985 auch zum Ehrenbürger der Marktgemeinde Michelhausen.
Am 18. November 1989 starb Pfarrer Bruner. Wenige Monate zuvor, am 1. Juli, war er, nach genau 47 Jahren als Pfarrer von Rust in den Ruhestand getreten. Und nur wenige Wochen vor seinem Tod, am 19. September, feierte er seinen 85. Geburtstag.
In einem Nachruf zu seinem Ableben wurde Bruner als „Wahrzeichen von Rust“ bezeichnet. Angesichts dessen, was er für Rust – den Ort und die Pfarre – geleistet hat, ist diese Bezeichnung wohl mehr als verdient. Bruner war der längst dienende Pfarrer von Rust und wohl auch der, der die meisten und nachhaltigsten Spuren hinterlassen hat.
Sein Vermächtnis lässt sich in einem Satz, der von ihm stammt, kurz und prägnant auf den Punkt bringen: „Schaut´s, dass gut weitergeht!“
Ein Satz, der auch und gerade 30 Jahre nach seinem Tod wie ein Auftrag und eine Verpflichtung klingt.